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Wanderreportagen

Toggenburger Käsetüftler

Zweihundert Käsevarietäten werden im Toggenburg produziert. Das ist ein Fünftel aller Käsesorten der Schweiz. Einer der bekanntesten Käseproduzenten ist Willi Schmid. Sein Blaukäse wurde mehrfach zum weltbesten Blauschimmelkäse gekürt.
24.05.2024 • Text und Bilder: Martin Weiss
Willi Schmid beim Käsen – das bedeutet viel Handarbeit.

Sein Name ist in der Käseszene weit über die Grenzen des Toggenburgs hinaus bekannt: Die Rede ist von Käsetüftler Willi Schmid aus Lichtensteig. Als er mit seiner Frau Bea die Städtlichäsi ins Leben rief, hat er als Erstes einen Blaukäse kreiert. Er gab ihm den Namen Jersey Blue, weil er ihn aus der Milch der eher kleinen Kühe der gleichnamigen Rasse herstellt. Zwischenzeitlich wurde die Kreation mehrfach zum weltbesten Blauschimmelkäse gekürt. Innert Monatsfrist kamen zwei weitere Blaukäse dazu, einer aus Ziegen-, der andere aus Büffelmilch. Sie alle kommen erst nach zweimonatiger Reifung in den Verkauf, denn erst dann hat sich der Schimmel in Form feiner Äderchen auch im Innern des Käseteigs ausgebreitet.

Ein Dutzend Käseneuheiten folgten, darunter die Bergfichte. Das ist ein cremiger, fast flüssiger Weichkäse mit feinen Harzaromen, die er der Fichtenrinde verdankt. Diese um die frische Käsemasse zu applizieren, ist nicht einfach. «Es braucht etliche Produktionsdurchgänge, bis eine Käserin oder ein Käser das beherrscht», sagt Schmid.

Inspiriert dazu wurde Schmid von einer alten Kulturtechnik der Toggenburger Älpler. «Wenn die früher ‹z’Alp› gingen, haben sie als Erstes von den Bergfichten Rinde abgeschält und daraus Formen zum Abfüllen der Käsemasse gemacht», erklärt Schmid. «Das Harz und die Tannine haben dem Käse einen besonders feinen Geschmack verliehen.»

Aber auch ohne Baumrinde zeichnen sich die Toggenburger Käse durch viel Geschmack aus. «Das liegt daran, dass es in unserer Region viele schwere Lehmböden gibt», sagt Schmid. «Die Lehmböden liefern den Pflanzen besonders viele Nährstoffe.» Nährstoffe, die in die Milch und später in den Käse wandern.

Aufgewachsen ist Schmid auf dem väterlichen Hof in Nesslau SG, wo er schon als Bub ein feines Gespür für Kräuter und Gräser entwickelt hat – manche hat er auch selbst gekostet. Sein Gespür geht so weit, dass er am Morgen um fünf Uhr, wenn die Bauern die Milch anliefern, herausschmecken kann, auf welcher Talseite und auf welcher Wiese die Tiere gegrast haben.

Wie in einer Sauna

Noch bevor es hell wird, gehts ans Käsen. Assistiert von seinem Sohn Nicola sowie einer jungen Käserin und einem Käser stellt Schmid täglich drei Käsesorten her. Wenn vor dem Mittag die letzte Käsebruchmasse in die Formen gefüllt wird, liegt die Temperatur im Raum bei 35 Grad, und die Luftfeuchtigkeit beträgt 100 Prozent. «Das ist wie in einer Sauna», sagt Nicola, dem das Wasser von der Nase tropft. Seit einem Jahr arbeitet der gelernte Käser im Betrieb mit und hat das väterliche Tüftlergen geerbt. Vor Kurzem hat er einen Sauerkäse aus Schafmilch kreiert. Es ist die jüngste Toggenburger Käseinnovation und ein Beweis dafür, dass die Kunst, aus Milch Käse zu machen, noch lange nicht ausgeschöpft ist.

Milch ist Babynahrung

Als Willi Schmid die Kunst der Milchverarbeitung lernte, hat er selbst auch intensiv geforscht. Dabei ist er auf etwas gestossen, das seine Methode geprägt hat: «Wenn ein Kalb die Muttermilch verdaut, geschieht dies in seinem Magen bei einer Temperatur von 39 Grad. Also habe ich mich entschlossen, die Rohmilch in etwa auf die gleiche Temperatur und nicht auf die üblichen 32 bis 34 Grad zu erhitzen. Das ist näher am natürlichen Prozess und hat den Vorteil, dass die Milch schneller bricht.» Er ist halt eben wirklich ein wahrer Käsetüftler, der die gängigen Konventionen und Verordnungen auch mal infrage stellt.

willischmid.ch


Weitere Tüftler und Toggenburger Spezialitäten

Blumenkäse

Thomas Stadelmann von der Käserei Stofel in Unterwasser schmiert einen seiner Käse mit getrockneten Heublumen ein. Das verleiht seinem Blumenkäse ein urwüchsiges Aussehen und einen buchstäblich blumigen Geschmack. Das kommt auch im Ausland an, zwischenzeitlich exportierte er ihn sogar nach Australien. Als er 1998 die Käserei in Unterwasser übernahm, kreierte er alljährlich einen neuen Käse. Einer davon ist sein Unterwasser extra, der ebenfalls eine dunkelbraune Rinde hat und wunderbar cremig ist. Oder sein Försterkäse, den er in einer tannigen Rindenform reifen lässt. All seine Käse sind Bioprodukte.

kaesereistofel.ch

Toggenburger Alpziger

Früher wurde auf allen Toggenburger Alpen gezigert. Das wussten die Zigermannli und wanderten Anfang Dezember von Hof zu Hof, um den Bauern den Ziger abzukaufen. Heute stellen nur noch wenige im Toggenburg Ziger her. Christian Giger, einer der beiden Söhne des verstorbenen Urgesteins Felix Giger, ist einer der letzten. Er macht es nebenberuflich im Sommer auf der Alp seines Bruders.

Dabei erhitzt er teilentrahmte Milch auf 92 Grad und bringt sie mit Suurs, einer sauer gelegten Ziegenmilch, zum Brechen. «So hat es mein Vater immer gemacht, man könnte aber auch Essig nehmen», erklärt Giger. Den Bruch füllt er in eine grosse Holzkiste und lässt ihn gären. Im November nimmt er den ordentlich stinkenden Block heraus, zerkleinert ihn und würzt den geriebenen Ziger mit Salz, Kümmel und getrocknetem Zigerklee. Die ganze Familie hilft mit, um die kegelförmigen Stöckli zu formen. So gut sei der Ziger, sagt Käserkollege Willi Schmid, dass er sich alljährlich ein paar Dutzend der 250 Stöckli reservieren lasse. In der Städtlichäsi verkauft seine Frau Bea einige davon. Erhältlich sind sie auch direkt bei Christian Giger in Nesslau.

Bloderchäs

Köbi Knaus, heute 77-jährig, geht noch immer alljährlich im Sommer «z’Alp» und gehört zu denen, die Bloderchäs herstellen. Das ist ein Urkäse, dessen Wurzeln bis in die Anfänge der Milchwirtschaft reichen. Die ursprüngliche Herstellungsmethode hat sich in einigen wenigen alpinen Regionen bis heute erhalten. Allen voran im Toggenburg – und bei Knaus. Lesen Sie den ausführlichen Bericht zu Knaus’ Bloderchäs hier.

Extrawürste

Philipp Metzger ist der Einzige in der Schweiz, der diesen Familiennamen trägt und von Beruf auch tatsächlich Metzger ist. Er reiht sich hervorragend in die Galerie der kreativen Toggenburger ein. Jeden Monat kreiert er eine andere Extrawurst. Mal ist es eine Hühnerbratwurst mit Kurkuma und Zitrone. Dann eine Rinds-Schweinswurst mit Ananas, Mango und Papaya, genannt Fernwehwurst. Er produziert Würste mit Whisky, mit getrockneten Birnen, mit Tannensalz oder mit dem Kräuterlikör Bermontis. Oder im Bauernofen geräucherte Cervelat, die er mit Stockbergspeck veredelt. Der Speck ist ein Meisterstück für sich und gehört zwischenzeitlich zum kulinarischen Erbe des Toggenburgs.

metzger-metzger.ch

Schlorzifladen

Er ist der süsse König im kulinarischen Erbe des Toggenburgs und wurde traditionell an Silvester gegessen. Heute ist er in den lokalen Bäckereien ganzjährig erhältlich. Die erste, die diesen Fladen gewerblich herzustellen begann, war die Bäckerei Abderhalden in Wattwil. 2014 wurde der Betrieb an Manuela und Gregor Menzi verkauft, die mit ihren Söhnen die Tradition an mehreren Standorten fortführen – so zum Beispiel in der Josuas Bakery in Wattwil. Bis zu einem Dutzend Schlorzifladen kommen hier täglich aus dem Ofen. Dick belegt mit Schlorzi, der Masse aus gedörrten und gekochten Birnen, gekrönt von einem ebenso dicken Rahmguss.

cafe-abderhalden.ch

Schafen­birnenschnaps

Nicht Bauer sucht ..., sondern die hübsche Schafenbirne, die traditionell die einzig richtige für die Füllung des Schlorzifladens ist, sucht Landwirte, die sie wieder anbauen. Der Grund: 2019 hat der Feuerbrand diese uralte Toggenburger Sorte fast ganz zum Verschwinden gebracht. Seither müssen die Fladen mit anderen Sorten gefüllt werden, die zum Teil aus dem Ausland kommen. «Ein unhaltbarer Zustand», meint Gregor Menzi und hat vorsorglich zwei Schafenbirnenbäume in seinem Garten gepflanzt, in der Hoffnung, dass dies auch andernorts und in grösserem Umfang geschieht. Auch Bettina Stillhart von der gleichnamigen Brennerei in Dietfurt hofft das.

Eine ihrer Ikonen ist der Schafenbirnenschnaps, der in der familieneigenen Destillerie in vierter Generation hergestellt wird. Wegen der Mangellage kann sie jährlich nur noch wenige Flaschen dieses Edeldestillats herstellen, eine echte Rarität. Die Brennerei stellt auch die Schlorzimasse her. Dabei werden gedörrte Birnen in Williams oder ein anderes Birnendestillat eingelegt, abgetropft und zur Masse verarbeitet. Verkauft werden 500-Gramm-Dosen, die für zwei Fladen reichen.

stillhart-brennerei.ch

Martin Weiss

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