Genussvolles Eintageshüttenwandern
Zugegeben, auf meiner Schweizerkarte mit allen besuchten SAC-Hütten setze ich dann am liebsten eine Nadel, wenn ich dort auch übernachtet habe. Nur ist das als Mutter eines kleinen Kindes nicht mehr so ohne weiteres möglich. Und so entdecke ich neuerdings den Reiz einer Eintageshüttenwanderung. Zum Beispiel zur Doldenhornhütte (BE). Diese bewerte ich anhand der Zauggschen Fünf.
Das Wetter zeigte sich nicht von der besten Seite, als ich mich kürzlich zur Doldenhornhütte ob Kandersteg aufmachte. Wobei: was heisst das schon. Ist doch eigentlich ganz angenehm, wenn man sich für einmal nicht bei glühender Hitze hochkämpfen muss. Anders als am Bahnhof vorgeschlagen, entscheide ich mich beim Zustieg für die Route via Holzfad. Gut 700 Höhenmeter liegen vor mir, ein vergleichsweise moderater Aufstieg also, der in zweieinhalb Stunden zu schaffen und somit auch für Familien machbar ist.
Eines kann ich vorweg nehmen: noch nie war ich auf einem Hüttenweg mit so vielen Ruhebänken unterwegs! Durch moosbewachsenen Zauberwald steigt der Weg stetig, aber keinsefalls zu streng an und gibt immer wieder schöne Blicke auf das Ogidorf frei. Drei Wegkreuzungen später begegne ich sogar noch einem halben Dutzend Gemsen, die allerdings den in anderer Richtung verlaufenden Felsenpfad zur Fisialp unter ihre Hufe nehmen.
Unvermittelt befinde ich über der Baumgrenze und 20 Minuten später vor der urtümlichen Hütte, trutzig aus Stein erbaut, ohne moderne Anbauten und deshalb schlicht meinem Idealbild entsprechend. Gastgeberin Yvonne Feuz, eine waschechte Glarnerin, erzählt mir allerlei Interessantes und Überraschendes. Unter Anderem, dass das 119 Jahre alte Gebäude komfortabel mit Warentransportbahn und Strom erschlossen ist, aber trotzdem erst seit diesem Juli über eine Abwaschmaschine verfügt.
Die beste Aussicht auf den tiefblauen Oeschinensee gibt es beim Gang zur Toilette. Eine Auswahl von dem, was einem fürs Auge sonst noch geboten wird: Doldenhorn, Fisistöcke, Allmenalp, Bunderstock, Lohner. Und die liebevollen Dekorationen, welche Tische, Wände und Vorgärtli zieren.
Entwarnung kann ich für alle Wolldeckenphobiker geben: zum Übernachten liegen im oberen Stock Vierzig geblümte Duvets und ebenso viele Kissen akkurat in Reih und Glied, verteilt auf einen grossen und zwei kleine Schlafsäle. Bei Vollbesetzung droht hier Dichtestress…
Gaumenfreuden werden einem reichlich aufgetischt. Legendär seien die Crèmeschnitten, die – so ein Pech – natürlich heute gerade nicht im Angebot stehen. Aber auch die Fruchtwähen schmecken ausgezeichnet, ebenso der hausgemachte Minzensirup im originellen Limoglas serviert. Vorweg entscheide ich mich bei einer Auswahl von Röschti, Käseschnitte, Schieferplättli etc. für die köstliche Tagessuppe, ein Kartoffel-Rüebli-Ingwergedicht, schön garniert mit selbstgemachten Croutons und getrockneten Wildblumen.
Mein persönliches Tageshighlight (und damit sei das Kriterium Gemüt bewertet) war das abschliessende Kafi: weder gefiltert, noch gekapselt, sondern frisch gemahlen. Mit Sahnehäubchen. Aber vor allem: verfeinert mit Magenträs, den ich so vergöttere! Halt, bitte jetzt nicht den Begriff googeln, sondern am besten selber zur Hütte aufbrechen und ein Kaffee Doldenhorn geniessen!
Ein Wort noch zum Abstieg: dieser führte in meinem Fall durch den Oeschiwald, was dem empfohlenen Zustieg entspricht. Nahe dem Talboden befindet sich die Schlüsselstelle der Wanderung, wo es ein mit Drahtseilen gesichertes Couloir zu durchqueren gilt. Bei Nässe und mit kleineren Kindern ist hier Vorsicht angezeigt.
Kommentare
Noch keine Kommentare