Katastrophen am Berg Teil II
Katastrophen am Berg Teil 2
Nun also, wie in meinem letzten Post angekündigt, meine eigens erlebte grösste Katastrophe am Berg. Sie hat sich am Pfingstsamstag im 1997. Jahr nach Christi Geburt zugetragen, und zwar im Grenzgebiet der Kantone Bern und Wallis.
Mit meinem Onkel breche ich im jugendlichen Alter von 17 Jahren zur Skitour über die Lötschenlücke auf, eigentlich ein Genusstürchen erster Güte (was es grossmehrheitlich auch tatsächlich war). Bequem fährt man mit der Jungfraubahn zum «Top of Europe». Danach geht’s erst mal abwärts auf dem Aletschgletscher bis zum Konkordiaplatz, und das alles vor atemberaubender Kulisse des Hochgebirges. «Atemberaubend» ist wörtlich zu verstehen: Das merkt man spätestens im Aufstieg zur Lötschenlücke, denn auf 3000 M.ü.M. ist die Luft schon spürbar dünner. Jetzt kehrt man den Viertausendern den Rücken zu und fährt schliesslich hinunter ins Lötschental bis zur Fafleralp. So viel zum Tourencharakter dieses Klassikers.
Das Wetter meint es ausserordentlich gut mit uns: Wir dürfen dieses Highlight bei strahlendem Sonnenschein und T-Shirt-Temperaturen unternehmen. Völlig euphorisiert rüste ich mich daheim gelinde gesagt unterdurchschnittlich gut aus, creme mich mit Daylong ein, stelle die Tube wieder zurück in den Schrank (Daylong suggeriert, dass der Schutz einen ganzen Tag lang anhält) und gönne auch dem Sonnenhut einen Ruhetag. Alles läuft nach Plan, und um die Mittagszeit erreichen wir schliesslich den Kulminationspunkt – auch hier wieder: durchaus wörtlich zu verstehen. Die folgende Abfahrt ist nur noch bedingt genussvoll: Bleischwerer Sulzschnee trainiert unsere Oberschenkel bis zur Übersäuerung, und im untersten Abschnitt hüpfen wir nur mehr von Schneefleck zu Schneefleck.
Auf der Heimfahrt dann – Achtung Wortspiel – bahnt sich im Lötschbergtunnel die Katastrophe an. Mein Gesicht spiegelt sich in den Fensterscheiben, und was ich da sehe, verheisst nichts Gutes… Der Teint ist ähnlich rot wie das Bündnerfleisch im mittäglichen Sandwich! Aber das wahre Ausmass zeigt sich erst am nächsten Morgen. Ich erwache mit höllischen Schmerzen im Gesicht, taste mich vorsichtig Zentimeter für Zentimeter durch das Desaster und wage es schliesslich nur mit dem kleinen Taschenspiegel, das Ganze zu beaugapfeln… Rote Haut, na klar. Aber dann diese Brandblasen! Und erst die aufs Dreifache angeschwollenen Lippen! (Okey, damit läge ich heute bei Celebrities voll im Trend) Es fühlt sich an, als ob mir der Leibhaftige seine feurigen Gufen ins Antlitz bohrte. Nachdem meine Eltern den ersten Schock überwunden haben, fahren sie mit mir zur Notfallapotheke, wo ich mit Brandwundschaum und Tinktur versorgt werde. Die folgenden drei Tage verbringe ich daheim, abgeschottet vom Gespött, Mitleid und Ekel der Mitmenschen und widme mich hauptsächlich der Gesichtspflege. Am Tag vier stelle ich mich an den Pranger und gehe wieder ins Gymnasium, an Tag fünf besuche ich die Grossmutter, welche vor Chlupf fast das Gebiss verschluckt, an Tag sechs sehe ich aus wie die Sahelzone in der ärgsten Dürre. Aber dann, am siebten Tag! Ein Wunder! Schuf Gott ein neues Gesicht! Keine einzige Narbe blieb zurück, wohl aber ein omnipräsenter Drohfinger vor den Gefahren, die von der Sonne ausgehen, wenn man sich zu wenig schützt.
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