Kurz wandern während der Schulzeit
Es ist wieder einmal Montagmorgen und der Tag ruft mir zu: „Komm raus!“ Der erste Schnee – nur wenig zwar, aber eben der erste – macht mich diesmal ungeduldig. Die beiden älteren Kinder sitzen am Frühstückstisch, müssen mit mehr oder weniger sanftem Druck Richtung Schulweg geleitet werden. Znüni machen, „in zwei Minuten geht ihr Zähne putzen!“, Handschuhe und Kappe suchen – wo ist nun schon wieder die Leuchtweste? Der Dreijährige verlangt ungeduldig sein Müeslizmorge, zuerst die Haferflocken, dann die anderen Flocken, dann die Milch – ja nicht umgekehrt, sonst wirft er sich zu Boden, ein Staatsdrama! Und ich möchte eigentlich nur raus.
Alles spricht dagegen: die volle Pendenzenliste, die volle Wäschetonne, die volle Windel des Lichterprinzes. Und dann ist ja noch das Mittagessen, das um 12:15 Uhr auf dem Tisch stehen muss, weil die Kinder nur wenig später schon wieder zur Schule müssen. Die Rechnung ist schnell gemacht: Bis der Lichterprinz und ich bereit sein werden, ist es frühestens neun Uhr. Und um 11:30 Uhr stehe ich wieder in der Küche. Das sind bestenfalls etwa zwei Stunden – das reicht nicht zum Wandern.
Windräder bei der Grabenmühle
Egal, sage ich mir, montiere die fiktiven Scheuklappen und hole die Rucksacktrage aus dem Keller. Doch, sie steht noch im Einsatz, irgendwie ist es mir noch nicht gelungen, mich von ihr zu trennen. Ohne Gepäck mag ich das Gewicht noch stemmen. Ich packe eine Windel und ein dürftiges Znüni ein, verpacke den Lichterprinz im Skianzug. Der freut sich, dass was geht. Was noch lange nicht heisst, dass er mitmacht. Ich schaffe es schliesslich, um 09:30 Uhr im Auto zu sitzen.
Eine Viertelstunde später steigen wir in der Grabemühli aus. Es ist einer dieser Flurnamen, wie es sie überall gibt in der Schweiz. Unspektakulär, und doch weckt er meine Neugier. Der Bauernhof liegt am Eingang des Scherligrabens, den ich schon vor längerem auf der Karte entdeckt und auf meine imaginäre To-do-List gesetzt hatte. Ich suche immer wieder nach solchen Orten, die spannend tönen und mir auf der Karte etwas versprechen. Nicht immer halten sie das Versprechen. Doch schon die Grabemühli ist ein Volltreffer: Rund um das Gehöft stehen mehrere Windräder.
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Nach wenigen Metern wandern führt ein kleiner Steg über den Bach und führt zu einem stockdunklen Tunnel. Ich betrete ihn, mit dem nicht ganz überzeugten Lichterprinz am Rücken. Er bleibt tapfer, doch bald wird die Decke tiefer und mit der Rucksacktrage wird es schwierig. Rückwärts arbeite ich mich wieder raus auf den Weg. Bald treffen wir auf den anderen Eingang des Tunnels.
Der Alpengarten von Köniz
Etwas später kräht uns ein wild gefiederter Hahn entgegen. Und neugierig schleckt eine Ziege unsere Hände. Ein junger Hund rennt uns entgegen, sein Herrchen ruft ihn zurück – es ist glücklicherweise ein Hund, der gehorcht. Der alte Mann mit seinem weissen, langen Bart erinnert mich daran, dass ich noch den Samichlouse-Nachmittag fertig organisieren muss. Kurz nach der nächsten Weggabelung gebe es eine weitere Höhle mit Feuerstelle, erzählt er uns. Wir Giele sind begeistert: Wir sind noch keinen ganzen Kilometer gewandert, haben aber schon so viel erlebt.
Und es hört nicht auf: Bald begrüssen uns etwas scheue Alpakas. Zwei Brücken laden uns zum Überqueren des Baches und in den Wald ein. Und bald zeigt ein Wegweiser Richtung Alpengarten. Verlockungen, denen wir widerstehen müssen, denn wir müssen zurück in den Alltag. Wenn ich nun nicht zügig zurückwandere, warten zwei hungrige, nicht über meine Abwesenheit informierte Kinder vor der verschlossenen Tür. Dann gibt es nur kalte Resten zum Zmittag.
Wir waren gut eine Stunde unterwegs, eine Viertelstunde von zuhause entfernt. Ich bin begeistert von unseren Entdeckungen, und froh, dem Ruf des Neuschnees gefolgt zu sein. Der Alpengarten lässt mich seither nicht mehr in Ruhe, ich werde zurückkehren. Und herausfinden, was es mit diesem Namen auf sich hat. Wer weiss, vielleicht spontan am nächsten Montagmorgen?
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